Jemanden loben und Komplimente machen, das ist ein integraler Bestandteil der lösungsorientierten Arbeit. Damit unterstützen wir unsere
Kundinnen und Kunden, eigene Ressourcen zu finden und sich überhaupt auch auf neue Lösungen einzulassen. Nur – und hier setzt der Artikel von Frank Thomas an (
Thomas; 2016) – basieren Komplimente immer auf Wertvorstellungen und können je nach kultureller Herkunft und der Haltung unseres Gegenübers ziemlich falsch ankommen. Auch im Duden (2017) findet man hinter den Begriffen „Kompliment“ und „loben“ die positive Beurteilung [1] und somit eine Wertvorstellung. Beim Kompliment geht der Duden sogar noch weiter und deutet darauf hin, dass ein Kompliment auch gemacht werden kann, um der anderen Person „zu gefallen“. Trotz dieser Nuancen verwende ich hier „Komplimente machen“ und „loben“ synonym. [2]

Aber zurück zum Artikel von Thomas. Ich denke, dass kulturelle Unterschiede eigentlich nur ein schönes Beispiel sind, um zu zeigen, dass „Komplimente machen“ sich mit der Maxime des Nichtwissens beisst. Wir treffen nämlich (wohl unbewusst) Annahmen, wenn wir loben. Und wenn uns bei unserer Arbeit das Nicht-Wissen wichtig ist, dann müssen wir ganz genau hinschauen, wie wir Komplimente machen und loben.

Thomas zeigt in seinem Artikel Wege, wie Komplimente machen und Nicht-Wissen nebeneinander bestehen können. Er beschreibt drei Arten von Komplimenten:

  1. Direkte Komplimente
  2. Eigenlob
  3. Indirekte Komplimente

Direkte Komplimente wie, „Das ist toll!“, „Sie sind ja so kreativ!“basieren alle auf ganz persönlichen Wertvorstellungen und können bei der Kundin / dem Kunden negative Gefühle auslösen und den weiteren Prozess bremsen. Direkte Komplimente scheinen schwierig mit dem Nicht-Wissen in Einklang zu bringen und Thomas empfiehlt auf direkte Komplimente zu verzichten – ausser vielleicht zum Abschluss und mit der exakten Wortwahl der Kundin / des Kunden: „Als wir über Ihre Sucht gesprochen haben, haben Sie gesagt, dass Sie eine starke Person sind … das gefällt mir.“

Auch wenn Eigenlob im Volksmund stinkt, ist es wohl die passende Übersetzung des von Thomas verwendeten Konstrukts „self-compliment„. Eigenlob sind Aussagen der Kundin / des Kunden in der Ich-Form, also z.B. „Ich habe mich einfach entschieden, loszulassen und weiterzugehen.“ Je nach kulturellem Kontext kann die Folgefrage „Und wie genau haben Sie das gemacht?“ kontraproduktiv sein, da das Konzept der persönlichen Autonomie nicht universell ist. Thomas empfiehlt eine weniger direkte Art, der
Kundin / dem Kunden ihren / seinen Anteil vor Augen zu führen und damit auch zu anerkennen, dass Drittpersonen einen wichtige Rolle spielen können. Hier ein frei übersetzter Auszug aus dem Artikel:

Coach: Gab es andere Menschen in Ihrem Umfeld, die eine Rolle spielten, dass Sie letzte Woche loslassen und weitergehen konnten?

Kundin: Ja natürlich. Ich ging zu meinem Pfarrer. Er war sehr unterstützend. Er gab mir einen guten Ratschlag.

C: Was meinen Sie, hilft Ihnen, dass Sie sich erlauben, diesen guten Ratschlag anzunehmen und für sich zu nutzen?

K: Ich denke, es ist weil ich manchmal weiss, dass ich Hilfe brauche. Ich habe keine Angst, Hilfe anzunehmen. Ich weiss nicht alles.

C: Sie kennen sich also gut genug und wissen, wann Sie Hilfe brauchen und Sie haben keine Angst, Hilfe anzunehmen?

K: [nickt]

C: Ich frage mich gerade, ob das normal oder eher ungewöhnlich ist, sich so gut zu kennen …

K: Ich denke, ich bin ziemlich ungewöhnlich … in dieser Hinsicht.

Indirekte Komplimente sind Aussagen, die etwas Positives implizieren und können z.B. in einen Perspektivenwechsel verpackt werden. Ein (modifiziertes) Beispiel aus Thomas (2016): „Sie sagten, dass Ihre Tochter Sie gut kenne und dass sie ehrlich und aufrichtig sei. Was meinen Sie, würde Ihre Tochter darüber sagen, dass Sie nach einem Misserfolg einfach loslassen und weitergehen können?“

Weitere Möglichkeiten gemäss Thomas, Komplimente mit Nicht-Wissen vereinbar zu machen sind „hedging“ und „extending curiosity“ – zwei Begriffe, die ich zu übersetzen mich nicht wage.

Beim „hedging“ bleibt man unpräzise und lässt Raum für unterschiedliche Sichtweisen: „Ich weiss nicht so recht, aber vielleicht ist das, was Sie beschreiben, irgendwie
verbunden mit Ihrer Antwort, die Sie letzte Woche Ihrem Vorgesetzten gegeben haben? Was meinen Sie?“

Die Idee hinter „extending curiosity“ ist, besser zu verstehen, was genau passiert ist, bzw. was die Kundin / der Kunde dazu beigetragen hat. Auch hier, meint Thomas, soll vorsichtig formuliert werden: „Ich frage mich, ob da irgendetwas an Ihrer Fähigkeit (loslassen und weitergehen zu können) ist, das wir weiter erforschen sollten … was meinen Sie?“

Das letzte Kapitel in seinem Artikel betitelt Thomas mit „Staying Tentative is Central“ – die Aufforderung also, Komplimente in einer vorsichtig, tastenden Art zu formulieren um damit sowohl kulturellen Unterschieden als auch der Maxime des Nicht-Wissens gerecht werden zu können.

Mein Fazit

Der Artikel hat mich inspiriert, meine Komplimente noch genauer zu formulieren und gerade bezüglich kultureller Unterschiede die Augen zu öffnen. Und auch wenn Thomas keine Forschungsergebnisse präsentiert, sondern seiner Erfahrung und Logik folgt, ist sein Artikel lesenswert und aufgrund der vielen Literaturangaben ein guter Einstiegspunkt ins Thema „Komplimente machen“.


Quellen

Duden online (2017). http://www.duden.de, Zugriff: 08.03.2017

Thomas, F. (2016). Complimenting in Solution-Focused Brief Therapy. Journal of Solution-Focused Brief Therapy, 2(1), 1 – 22.


Fussnoten

[1] Nach Duden (Duden online) ist ein Kompliment eine „lobende,schmeichelhafte Äußerung, die jemand an eine Person richtet, um ihr etwas Angenehmes, Erfreuliches zu sagen [und ihr zu gefallen]“ (http://www.duden.de/node/708052/revisions/1624876/view). „Loben“ wiederum heisst gemäss Duden: „jemanden, sein Tun, Verhalten o. Ä. mit anerkennenden Worten (als Ermunterung, Bestätigung o. Ä.) positiv beurteilen und damit seiner Zufriedenheit, Freude o. Ä. Ausdruck geben“ (http://www.duden.de/node/705394/revisions/1372966/view).

[2] Danke für die Beiträge zur Terminologie-Diskussion auf facebook (https://www.facebook.com/groups/loa.schweiz/)!

 

 

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